Der bekannte politische Ausspruch „Die Welt könnte durch das deutsche Wesen geheilt werden“ stammt aus Emanuel Geibels Gedicht „Deutschlands Beruf“, das 1861 verfasst wurde. In diesem Werk plädiert Geibel für die Einheit Deutschlands und ruft die verschiedenen Staaten dazu auf, sich unter einem deutschen Kaiser zu vereinen. Die letzten Zeilen des Gedichts lauten: „Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen“. Im Laufe der Zeit wurde das Gedicht in verschiedensten Kontexten interpretiert und politisch genutzt.
Das Schlagwort wurde in der Zeit des Kaiserreichs von 1871 verstärkt genutzt und umgedeutet. Es wurde zum Ausdruck einer nationalen Überheblichkeit und des deutschen Imperialismus. Der Begriff wurde auch von den Nationalsozialisten benutzt, um ihre Vorstellung von der Überlegenheit der deutschen Rasse auszudrücken. Heute wird das Schlagwort oft kritisch betrachtet und mit Nationalismus und Chauvinismus in Verbindung gebracht.
Geschichtlicher Kontext und Interpretation
Entstehung des Gedichts
„Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ ist ein bekanntes Zitat aus einem Gedicht von Emanuel Geibel aus dem Jahr 1861. Das Gedicht mit dem Titel „Deutschlands Beruf“ wurde in einer Zeit geschrieben, in der die Einigung Deutschlands noch nicht vollständig erreicht war. Geibel drückte in seinem Gedicht den Wunsch aus, dass Deutschland eine Führungsrolle in Europa einnehmen und für Frieden und Stabilität sorgen sollte.
Politische Bedeutung im 19. Jahrhundert
Das Gedicht „Deutschlands Beruf“ und das Zitat „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ wurden im 19. Jahrhundert oft von deutschen Nationalisten zitiert. Sie sahen in der Einigung Deutschlands und der Schaffung eines geeinten deutschen Staatswesens die Möglichkeit, Europa zu befrieden und zu stabilisieren. Das Zitat wurde auch vom deutschen Kaiser Wilhelm I. aufgegriffen, der es als Motto für seine Politik der Einigung Deutschlands und der Schaffung eines starken deutschen Reiches verwendete.
Wandel im 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurde das Zitat „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ von den Nationalsozialisten vereinnahmt und missbraucht. Sie nutzten es, um ihre rassistische Ideologie zu rechtfertigen und ihre Vorstellung von der Überlegenheit des deutschen Volkes zu propagieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Zitat von vielen Deutschen kritisch betrachtet und als Ausdruck von Nationalismus und Überheblichkeit abgelehnt.
In der heutigen Zeit wird das Zitat „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ oft ironisch oder sarkastisch verwendet, um auf die negativen Auswirkungen des deutschen Nationalismus und der deutschen Geschichte hinzuweisen. Es wird jedoch auch von einigen als Ausdruck des Wunsches nach einer starken und geeinten Europäischen Union verwendet.
Kulturelle und philosophische Dimension
Geibels Einfluss auf die deutsche Literatur
Emanuel Geibel, der Verfasser von „Deutschlands Beruf“, prägte den politischen Slogan „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Das Gedicht wurde von vielen deutschen Schriftstellern und Dichtern wie Theodor Fontane und Theodor Storm beeinflusst. Es spiegelt die romantische Vorstellung wider, dass die deutsche Kultur und Sprache einzigartig sind und eine moralische Führung für die Welt darstellen.
Das Gedicht war auch ein wichtiger Beitrag zur Poetik der Zeit. Geibel betonte die Bedeutung von Werten wie Recht und Sitte, die für das deutsche Wesen charakteristisch sind. Er glaubte, dass ein klarer Geist und eine starke Moral notwendig sind, um eine erfolgreiche deutsche Außenpolitik zu führen.
Moderne Rezeption und Kritik
Obwohl „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ ein bekanntes politisches Schlagwort ist, wird es heute oft als Ausdruck einer Doppelmoral kritisiert. Während es auf der einen Seite für eine moralische Führung Deutschlands steht, wird es auf der anderen Seite oft mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht.
In der Philosophie wird das Schlagwort oft in Zusammenhang mit der Frage nach der deutschen Identität und der Rolle Deutschlands in der Welt diskutiert. Einige Philosophen argumentieren, dass es notwendig ist, die deutsche Kultur und Sprache zu bewahren, um eine moralische Führung für die Welt darzustellen. Andere argumentieren, dass die Idee des deutschen Wesens eine nationalistische und rassistische Ideologie darstellt.
Insgesamt bleibt „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ ein umstrittenes politisches Schlagwort, das sowohl in der deutschen Literatur als auch in der Philosophie diskutiert wird.